Unsere letzen Tage des Jahres 2015 verbringen wir in San Diego bei Mike. Mike hatten wir vor 5 Monaten in Alaska auf einem Campingplatz getroffen. Nach einer eigentlich nur kurzen Unterhaltung drückte mir Mike am nächsten Morgen einen Zettel in die Hand mit seiner Email und Telefonnummer und der Einladung bei ihm zu Übernachten falls wir durch San Diego kommen. Nun ja, fünf Monate später sind wir auf die Einladung zurückgekommen und haben zwei tolle Abende mit Mike verbracht. Mit 69 Jahren plant er fürs Jahr 2016 auf Weltreise zu gehen. Super Cool! 24 Städte mit jeweils 14 Tagen Aufenthalt im jeweiligen Land stellt er sich vor. Wir sind gespannt und hoffen das sich unsere Wege auf unseren Weltreisen bald wieder kreuzen. Sein Angebot uns zur 60 Km entfernten Grenze zu fahren lehnen wir ab. Nicht aus Eitelkeit heraus um jeden Km mit dem Rad gefahren zu sein, sondern weil wir eine ungefähre Vorahnung haben was in Mexico an Steigungen auf uns zu kommt und nach drei Wochen Faulenzen wollen wir unsere Muskeln lieber einmal mehr betätigen. Wie sich zeigen soll nicht ganz unüberlegt. Wir planen den grenznahen Statepark anzufahren. Von hier aus sind es nur 8 Meilen zum Grenzübergang Tecate. In den 60 Km zum Camping fahren wir knapp 1100 Höhenmeter und am Ende des Tages merken wir beide leichte Schmerzen in den Knien...Klar, Überbeanspruchung lautet die „allgemeinchirurgische Diagnose“ und so legen wir lieber einen Ruhetag ein und verbringen die Silvesternacht noch in der USA. Viel mit Feiern ist nicht denn...es ist saukalt und um 18:00 verschwinden wir sofort in unsere Daunenschlafsäcke inklusive heisser Wasserflasche im Fussende. Lagerfeuer...geht nicht...ein zeimlich heftiger Wind ist aufgezogen und so liegen wir in unserem Zelt welches heftig durchgerüttelt wird und schlafen irgendwann dann doch ein. Um Punkt Mitternacht wachen wir von den Knallern auf die auf der mexikanischen Seite abgefeuert werden und freuen uns über das neue Jahr 2016 mit hoffentlich nur guten Radabenteuern.
Am 1.1. des neuen Jahres machen wir uns zeitig auf. Mexico ruft. Völlig problemlos erreichen wir den kleinen Grenzübergang Tecate der etwas weiter östlich von Tijuana liegt. Wir erhalten nach freundlicher Nachfrage unproblematisch eine Aufenthaltsgenemigung für 180 Tage, zahlen brav die 24 Dollar Einreisegebühr und schon radeln wir weiter....in Mexico. Direkt am Ortseingangsschild werden wir von einer mexicanischen Familie begrüßt die gerade auf einer kleinen Neujahrsradtour unterwegs sind und die ersten Fotos werden geknippst. Wir heben noch ein paar Pesos ab und dann geht es auch schon den ersten schweißtreibenden Anstieg aus Tecate raus. Der Kontrast zwischen den USA und Mexico ist gewaltig...nur getrennt durch einen Zaun fahren wir plötzlich durch eine „andere Welt“. Diese Welt erscheint uns vom ersten Augenblick an bunt und fröhlich aber Armut ist offensichtlich und allgegenwärtig. Wir müssen uns augenblicklich in einigen Dingen umstellen. Das Leitungswasser können wir nicht mehr trinken. Trinkwasser kaufen wir ab sofort für wenige Cents in Kanistern und befüllen unsere Radflaschen damit. Radeln im Dunkel oder in der Dämmerung kommt für uns nicht in Frage und natürlich machen wir uns auch Gedanken über die Sicherheitslage da wir als Radfahrer noch viel mehr den äußeren Gegebenheiten ausgesetzt sind.
Gegen Abend kommen wir in das kleine Dorf Ignacio Zaragoza. Ein Hotel oder Camping muss her da Wildzelten nicht leicht ist da sich die Baja California bis lang als ein eingezäuntes Naturparadies zeigt. Wir fahren ein Stück die sandige Dorfstrasse hinein und ich spreche einen Herrn in seinem Garten an mit der Frage nach einem Hotel in der Nähe. Er verneint und ich bemerke sein Zögern aber dann fragt er ob wir nicht bei ihm übernachten möchten. Wir nehmen dankend an und kurz darauf befinden wir uns inklusive der Räder in Georges Haus. Das Haus ist sehr einfach ausgestattet, wir breiten unser Nachtlager auf dem Fußboden des Wohnzimmers aus und schon steht Kafee und Tee für uns bereit zum Aufwärmen. George erzählt uns einiges aus seinem Leben und wir sind beeindruckt. Von den 18 Jahren die er in den USA lebte verbrachte er 10 Jahre in einem Gefängniss in San Francisco. Es folgte die Abschiebung nach Tijuana wo er auf der Strasse lebte und Drogensüchtig war. Vor 9 Jahren änderte sich sein Leben...durch Jesus wie er uns erzählt. Ein ehemaliger Mitgefangener sammelte ihn auf und brachte George in eine christliche Drogenentzungsklinik. Seitdem arbeitet er selbst als Sozialarbeiter in Entzugskliniken und in der lokalen Kirchengemeinde. „Hätte Ihr mich vor 9 Jahren getroffen hättet Ihr vor mir weglaufen müssen, aber jetzt bin ich durch Gott ein anderer Mensch geworden“.
Wir kochen ein gemeinsames Abendessen, George bereitet uns heisses Wasser in Eimern zum Duschen und wir erzählen von unserer Reise und Plänen. Die Nacht ist ebenso kalt wie im Zelt eine Heizung gibt es nicht und so richtig gut schlafen wir beide in unserer ersten Nacht in Mexico nicht. Zu viele Gedanken und Eindrücke gehen uns durch den Kopf.
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns nach einem gemeinsamen Frühstück. George bietet uns an noch zu bleiben aber ein wenig vorran müssen wir mal wieder kommen und deshalb lehnen wir schweren Herzens ab. Zum Abschied schenken wir George ein Foto von uns auf der Golden Gate Bridge mit ein paar handschriftlichen Zeilen auf der Rückseite. Er ist tief gerührt denkt er doch oft an diese Stadt und an seine Frau und 22 jährige Tochter die er in den USA zurücklassen musste und seitdem nie wieder gesehen hat...
Wir radeln weiter auf der Mex 1 Richtung Ensenada. Wir fahren entlang der Weinroute mit teils herrlichen Blicken auf hüglige Landschaft. Ensenada ist eine der größeren Städte auf der nördlichen Baja California. Die Stadt beeindruckt uns nicht übermäßig aber dafür der lokale Supermarkt :-)
Wir übernachten in dem kleinen preiswerten Hotel „El Camino“ am südlichen Stadtende. Die Baja ist nach drei Wochen Pause anstrengend. Täglich radeln wir nun zwischen 800-1000 Höhenmetern auf 60-70 Km. In dem kleinen Städtchen Sant Vincente legen wir daher einen Ruhetag ein. Es regnet wie aus Bächen und schnell verwandelt sich der kleine Ort in eine „Schlammschlacht“.
14 Tage radeln wir inzwischen durch Mexico und je weiter wir uns von der Grenze zu den USA entfernen um so mehr geniessen wir dieses Land. „Alles Banditos die Euch überfallen werden“ oder „Die LKW-Fahrer in Mexico nehmen keine Rücksicht“ sind Sprüche die wir immer wieder im Nachbarland der USA zu hören bekamen. Wir müssen uns wohl im Weg geirrt haben! Das Mexico welches sich uns präsentiert ist ein wunderschönes buntes Land mit unglaublich zurückhaltenden und dennoch fröhlichen Menschen. Noch nie sind wir so oft gegrüßt worden wie hier in Mexico. Nahezu jedes Auto das uns entgegen kommt winkt uns zu oder hupt freundlich und selbst die Polizei lässt sich dazu verleiten ihr Mikro anzuwerfen um uns laut und kräftig „Good Luck“ zu wünschen. Der Strassenverkehr im Norden der Baja ist in der Tat unangenehm da es oft keinen Seitenstreifen gibt. Dennoch sind wir überrascht das 90 % der LKW-und Autofahrer komplett auf die andere Spur wechseln um an uns vorbei zu ziehen. Trozdem fahren wir so defensiv wie möglich, denn die Strassen sind in einigen Regionen leider von Kreuzen gesäumt die daran einnern dass es eine hohe Anzahl von fatalen Unfällen zu geben scheint. Der Rückspiegel am Rad und unsere Warnwesten sind hier goldwert und auch halten wir das eine oder andere Mal schnell jenseits der Strasse an um den nahenden LKWs bei Gegenverkehr auszuweichen.
Unsere Weiterreise gestaltet sich zunächst regnerisch. Zwei Tage müssen wir eine Zwangspause einlegen da die Strassen teilweise vollständig überflutet sind. Kleine Seitenstrassen verwandeln sich in reissende Bäche und als weiterer Nebeneffekt wird tonnenweise Müll auf die Hauptsrasse geschwemmt. Das Militär muss anrücken um Notdienst zu leisten, die Hauptstrasse MEX 1 wird mit Baggern freigeräumt und die überfluteten Regionen mit großen Pumpen so gut es geht wieder trocken gelegt. Die Menschen in den betroffenen Dörfern werden aufgefordert in Notunterkünfte zu gehen aber ein Großteil der Einwohner weigert sich ihr Haus zu verlassen aus Angst das ihnen das wenige was sie besitzen im Zuge dessen auch noch abhanden kommt. Die Gesundheitszentren verteilen Wasser und Lebensmittel und auch Impfungen werden kostenlos verabreicht.
Alle sind sicher „das ist El nino“, was noch an Regen im Verlauf des Frühjahrs zu erwarten ist...keiner kann es sagen.
Der Norden der Baja California überzeugt uns landschaftlich nicht so richtig und daher freuen wir uns als wir in dem winzigen Örtchen El Rosario ankommen. Hier heißt es noch einmal „Futter auftanken“ denn ab hier radeln wir für die nächsten 350 Km durch die „Desierto Central“. Direkt hinter der Stadt radeln wir auch schon in die Einsamkeit. Ab hier folgt ein Spitzenpanorama dem anderen. Es ist als würden wir durch einen riesigen Kakteen-Garten fahren. Der Weg ist gesäumt von Ohren Kakteen, Western Kakteen, Agaven und den sogenannten „Cirios“, eine elefantenrüsselartige Sorte die nur auf der Baja California vorkommt. Wir zelten gut versteckt in dieser Traumlandschaft und fühlen uns ein bisschen wie bei „Alice im Wunderland“ inmitten dieser unwirklichen Kulisse! Einige andere Nächte in Regionen mit weniger Vegetation zum verstecken zelten wir hinter den sogenannten „Loncherias“. Das sind kleine Restaurants die mitten „im Nichts“ liegen. In der Regel 24h geöffnet und gerne Anlaufstellen für LKW Fahrer und uns Rad-Toureros. Wir fragen jedes Mal höflich ob es möglich sei dort zu zelten und werden niemals abgewiesen. Dies alles geschieht mit einer Selbstverständlichkeit die manchmal schon unheimlich ist. Man stelle sich doch mal vor was in Berlin los wäre: Da klingeln abends zwei verschwitzte Fremde bei uns an der Tür und fragen in komischen ausländischen Azent:“ Hallo, könnten wir vielleicht netter Weise für eine Nacht in Ihrem Garten oder auf Ihrem Balkon zelten?“
Eine Bezahlung wird wehement abgelehnt. Keine dieser Familien würde es zulassen für ihre Gastfreundschaft irgendwelche Gegenleistungen zu bekommen und so ist unsere „Gegenleistung“ das wir immer, für unglaublich wenige Pesos, ordentlich in den Rastaurants schlemmen um unsere hungrigen Mägen zu beruhigen denn die Wüste ist nicht flach! Immer wieder sausen wir mit bis zu 50 Kmh zu den Flusstälern runter um uns dann mühevoll die nächste halbe Stunde wieder hochzuarbeiten. Das macht hungrig! Die Nächte hinter den Loncherias gestalten sich wiedererwartend als recht anstrengend. Pünktlich zu Sonnenuntergang um fünf wird der benzienbetriebene Strom-Genarator aus den 80iger Jahren angeschmissen und aus dem kommt keine 80iger Jahre Musik. Selbst ich mit meinen Ohrenstöpseln die ich gelegentlich gegen andere „Musik“ im Zelt einsetzen muss komme mir vor wie in einer Fabrikhalle...von erholsamen Nachtschlaf also keine Spur. Geschweige denn für Radko der heldenhaft auf die von mir angebotenen „Leisemacher“ verzichtet um ein Auge oder besser gesagt ein Ohr auf die neben uns stehenden Räder zu haben.
Zwischen El Rosario und El Arenoso geht es bergtechnisch mal wieder so richtig zur Sache. Plötzlich naht sich ein dunkler Jeep hinter uns und bremst auf unsere Geschwindigkeit ab. „Ach Du Scheise, die Amis haben doch Recht...Banditos...das wird ein Überfall“ denken wir beide sofort. Doch anstelle der Neun Millimeter Pistole sind zwei nagelneue I-Phones aus beiden Seitenfenstern auf uns gerichtet und schiessen massenhaft Fotos von uns. Der Beifahrer streckt uns grinsend umgerechnet 35 Euro in Scheinen entgegen mit den Worten: „For Lunch, not for Tequila“.
Wir lehnen beschähmt ab. Beschähmt weil wir sofort nur an das Negative gedacht haben und auch deshalb weil wir ja immerhin diejenigen sind die sich eine solche Reise leisten können. Es gibt keine Wiederrede, wir werden „zum Lunch“ eingeladen, nicht ohne noch ein paar Worte zum deutschen Fußball gewechselt zu haben und schon braust der Jeep davon und wir gucken uns verdattert an.
Von der Loncheria in El Arenoso radeln wir 84 Km zum Rancho Santa Ines. Kurz vor der kleinen Ranch mit Campingplatz fahren wir durch das kleine Örtchen Catavina. Unser Radreiseführer für Lateinamerika empfiehlt das örtliche Hotel aber mit nahezu 50 Euro umgerechnet sprengt das deutlich unser kleines tägliches Radreisebudget und so radeln wir den einen Kilometer weiter zum Camping. Die Besitzerin schafft es dann doch noch uns für einen kleinen Aufpreis zur Campinggebühr eines ihrer Zimmer schmackhaft zu machen und nach mehreren Tagen „Katzenwäsche“ in der Wüste klingt das Zimmer mit kalter Dusche wie eine Wellnessoase für uns. Leider ein Fehlgriff...der „Schnuppertest“ an den Laken zeigt untrüglich das die Bettwäsche schon lange keine Seife mehr gesehen hat und daher schlafen wir dann doch lieber auf dem Bett in unseren eigenen Schlafsäcken. Der Radreiseführer beschreibt die Unterkunft als „etwas heruntergekommenes Gasthaus“ und offensichtlich hat sich seit der Buchauflage von 2007 aber auch wirklich NICHTS daran geändert. Ich wache Nachts schweißgebadet auf weil ich träume das unter dem Laken Ungeziefer krabbelt und bin letzlich froh zu erkennen das über dem Laken nichts krabbelt...den Rest habe ich vorsichtshalber mal nicht überprüft! Die nächsten Nächte fühlen wir uns komischer Weise „pudelwohl“ in unserem kleinen Eigenheim Marke „Hilleberg“!
Die letzen 190 Km vor der Stadt Guerrero negro sind nahezu flach. Zudem bekommen wir einen satten Rückenwind so das wir teilweise 30 Kmh fahren ohne auch nur eine Umdrehung auf der Pedale zu machen...so schön kann Radlerglück sein! Entsprechend kommen wir nach zwei Tagen bereits einen Tag früher als geplannt in Guerrero negro an.
In Guerrero Negro angekommen legen wir einen Ruhetag ein. Der Ort ist nicht sonderlich attraktiv. Die Meisten Häuser und Hotels sind entlang der staubigen Hauptstrasse angelegt und die meisten Besucher zieht es aus einem anderen Grund hierher, die Grauwale, die in der Laguna Ojo de Liebre von Dezember bis Februar ihre Jungen zu Welt bringen.
Wir verbringen den freien Tag damit den Staub der vergangenen Tage aus unseren wenigen Klamotten und von uns selbst zu entfernen und mit einem Spaziergang zum örtlichen Supermarkt.
Die Weiterfahrt in das nächste Örtchen Vincaino bleibt flach und unspektakulär. Die Landschaft ist trocken und wüstenähnlich. Reichlich Staub liegt in der Luft und das einzige Highlight des Tages sind eine leichte rechts – oder Linkskurve der sonst schnurgraden Strasse Richtung Süden. Da kann nur der Ipod etwas Ablenkung bringen. Wirklich Gelegenheiten zum Rast machen gibt es auch nicht und so müssen mehrfach alte LKW Reifen neben der Strasse als Sitzgelegenheit in der prallen Sonne her halten.
Nach insgesamt 161 Km in zwei Tagen erreichen wir die kleinen Palmenoase San Ignacio. Die Oase scheint wie aus einem arabischen Märchen entsprungen zu sein und in der Tat wurde die Oase 1728 von Jesuiten angelegt. Wir verbringen den nächsten Tag auf der kleinen Plaza bei Kaffe und Gebäck und sitzen im Garten der kleinen Missionskirche und machen einfach mal nix. Als wir abend an der Casa del Ciclista ankommen sitzt die Herbergsfamilie mit Freunden im Garten beim Grillen. Wir werden sofort zum Essen eingeladen. Campieren dürfen wir im Garten. Wir haben ein eigens für Radler gebautes Aussenbad, eine Hängematte und werden mit reichlich Informationen bezüglich Routen und Sehenswürdigkeiten für die Weiterfgahrt auf der Baja und dem Festland versorgt. Beim Durchstöbern des Gästebuches treffen wir auf Einträge vieler „alter Bekannter“ und am nächsten Morgen dürfen wir nicht los radeln ohne einen roten Punkt für Berlin auf die Weltkarte auf der Hauswand gemalt zu haben.
Unsere Weiterfahrt bringt uns immer näher an die Bahia Conceptión an der Mar de Cortés im Golf von Kalifornien. Ein kleines Stückchen Paradies mit sanftem türkisgrünen Wasser und traumhaften Stränden. Zuvor erreichen wir das kleinen Städtchen Mulegé. Für uns ein absoluter „Überraschungskandidat“ unter den Orten auf der Baja California. Das kleine aber lebhafte Städtchen liegt an einer Flußmündung nicht weit vom Strandt entfernt und ist uns sofort sympatisch. Wir erkundigen uns bei den Einheimischen nach einem preiswerten Hotel und sind mehr als Zufrieden mit dem Resultat. Wir haben ein Zimmer an einer gigantischen Dachtarasse umgeben von Palmen und herrlich blühenden Sträuchern und es gibt sogar eine kleine Aussenküche so das auch unserem Benzinkocher eine Pause vergönnt wird.
In der Stadt treffen wir beim losradeln auf Urs und Monika die wir seit Oregon schon etliche Male getroffen haben und die auch auf der „Panamericana“ radeln (www.panamericana.bike). Nach einem ausgedehnten Lunch verabschieden wir uns. Die beiden wollen noch einen der außerhalb der Stadt liegenden Strände zum campen erreichen. Wir entscheiden uns aufgrund der vorrangeschrittenen Stunde noch eine Nacht zu bleiben und radeln zum Strand. Dort könne man unter einer Palmenhütte (Palapa) frei campieren. Am Strand treffen wir auf ein weiteres Radlerpaar, Catherine und Thikaut aus Canada bzw. Frankreich. Sie zelten bereits seit mehreren Tagen auf einem nahegelegen Grundstück eines örtlichen Fischers. Kurzerhand dürfen wir dort auch unser Zelt aufstellen. Die ehemals vorhandenen Häuser wurden vor wenigen Jahren durch zwei aufeinander folgende Hurricanes stark beschädigt und daher sind die Grundstücke allesamt verlassen. Wir stellen unser Zelt unter dem noch halb vorhandenen Palmendach auf. Der Ausblick über die Küste und das Meer in dem sich der Vollmond reflektiert ist berauschend und fast schon mystisch. Am Abend gesellt sich der Fischer Jeremy zu uns und wir sitzen gemeinsam am Lagerfeuer und grillen frische Muscheln. Wir werden eingeladen so lange zu bleiben wie wir wollen aber die Traumstrände rufen und daher radeln wir am nächsten Morgen weiter.
Die Etappe in die Edyllee ist bergig, heiß und harte Arbeit und umso mehr freuen wir uns als wir die Playa Requesón erreichen. Unsere Räder sind schwer bepackt mit ettlichen Lietern Wasser und Essen für 3 Tage denn hier gibt es nichts ausser einen paradiesischen Ausblick und Plumpsklos. Am Strand stehen ein paar Palapas unter denen man als Schutz gegen den Wind sein Zelt aufstellen kann. Die Zufahrt zum Strand ist etwas holprig und uneben und daher nicht zugängig für die gigantischen Wohnmobile und Anhänger der Amerikaner und Canadier die die anderen Traumbuchten teils dicht belegen.
Wir treffen erstmalig auf das Radlerpaar Sam und Laura aus England. Sie haben schon von uns gehört und zelten für eine Nacht in der Nachbarpalapa.
Am nächsten Morgen wagen wir sogar einen Sprung ins Meer und müssen feststellen das es wärmer aussieht als es ist. Da probieren wir uns lieber auf dem Stand up Paddleboard unserer Campingnachbarn und haben mega Spaß dabei! Eigentlich fragen wir uns hinterher warum nicht jeder so ein Ding besitz denn wie wir finden... einfach ein genialer Zeitvertreib!
Wenn es auch sonst nichts am Strand gibt aber auf den Eissmann ist verlass! Pünktlich zur Nachmittagszeit kreuzt das nahezu schon antike alte US-Postauto am Strand auf, als Erkennungsmelodie dudelt der Flohwalzer, und auf dem Auto wird „Banansplit“ angepriesen. Wir halten uns schweren Herzens doch an „Cook it, peel it or Leave it“ aber als kurze Zeit später der Krabbenverkäufer aufkreuzt sagen wir nicht nein und schmeißen kurzerhand unseren Kocher für ein leckeres Krabbenmenü an.
Der Abschied aus dem Paradies fällt schwer aber unsere Wasservorräte reichen gerade noch für die Weiterfaht bis Loreto. Hier heisst es mal wieder Auftanken denn die nächsten 160 Km sind eine harte und einsame Durststrecke. Dank unseres Reiseführers wissen wir das wir uns in die Sierra de la Giganta hochwinden müssen. Nach insgesamt 50 Tageskilometern mit 10 Km knallhartem Anstieg campieren wir zwischen den Kakteen. Die Steigungen sind gigantisch, ich denke die ganze Zeit daran wie gut das alles für die Figur ist, Radko denkt ans nächste Steak..oder besser gesagt den nächsten Burrito, aber die Aussicht ist genial und irgendwie ist dann doch alles nur halb so wild. Die nächsten Tage versuchen wir einfach nur „Strecke zu machen“ um die Wüste zügig hinter uns zu lassen. Als einzige schattenspendende Orte finden sich oft nur die überdachen Bushaltestellen und an solch einer sitzen wir gerade recht unmotiviert als Sam und Laura angeradelt kommen. Und da geteiltes Leid bekanntlich nur halbes Leid ist radeln und campen wir bis La Paz zusammen.
Nach insgesamt 6 Monaten und 8665 geradelten Km geht in La Paz unsere erste große Etappe zu Ende.
La Paz (1.2.16)
Wir fahren mit dem Boot zur Isla Espiritu Santo, eine Insel die ca. 32 Km nordöstlich von La Paz liegt. Sie liegt in einem Meeresschutzgebiet und ist ein extrem Artenreiches Gebiet. Unter anderem gibt es dort eine Große Kolonie von Seelöwen. Die Seelöwenkolonie ist unser Hauptziel denn dort wollen wir schnorcheln gehen.
Die Fahrt zur Seelöwenkolonie beginnt mit einer Überraschung. Es ist Waalhai Season und kaum sind wir einige Minuten auf dem Wasser schweben plötzlich zwei dieser friedlichen Giganten direkt neben unserem keinen Boot durch das Wasser. Ein Wunderbarer Anblick. Wir sind so gebannt das wir nicht mal ein Foto machen aber manche Augenblicke muss man eben einfach so in Erinnerung behalten.
Die Fahrt zu Seelöwenkolonie dauert ca. 90 Minuten. Die See ist relativ rau. Gut das wir alle schon unsere Wetsuites anhaben denn bereit auf dem Weg werden wir ordentlich nass. Die Kolonie ist mitten auf offener See weit vor der Insel um eine kleinere Felsformation angesiedelt. Einer der wenigen Orte auf der Welt wo man angeblich „Haisicher“ schnorcheln kann, denn die Seelöwen in der Cortes See haben keine natürlichen Feinde und daher wachse die Kolonie auch stetig. Ein bisschen mulmig wird uns bei dem Anblick schon. Mitten auf dem Meer, ziemlich hoher Wellengang und das Wasser ist ziemlich kalt. Aber was soll's, letztlich wagen wir alle den Sprung ins kalte Wasser und schnorcheln in Begleitung unseres Guide, der zudem auch einen Abschluss in Meeresbiologie hat, entlang der Felsen. Die Unterwasserwelt hat einiges zu bieten und dann gesellen sich die jungen Seelöwen zu uns. Die Tiere sind extrem neugierig und kommen immer wieder auf uns zu geschwommen um mit uns zu spielen. Wie kleine Hunde schnuppern sie an unseren Händen, beißen spielerisch zu und umwirbeln uns. Nach 45 Minuten im Wasser sind wir bis auf den letzten Knochen durchgefroren aber wie berauscht von diesem einmaligen Zusammentreffen!
La Paz (2.2.16)
Nach 6 Monaten „on the Road“ mal eine kleine Pannen/Verschleißstatistik:
5 Platten (3 x Anja und 2 x Radko)
1 Mantel war komplett von einem Stein aufgeschlitzt worden (Alaska) und musste gewechselt werden
Nach ca. 7000 Km an beiden Rädern die Kette gewechselt
Beim Ausbau von Radko`s Hinterrad bricht die Achse in La Paz
Ortlieb Interradtasche bei Anja 2 x durch Kaktus aufgeschlitzt worden (erfolgreich geflickt)
Nach viel Herumfragen und Suchen finden wir heute Ersatz für die Hinterradachse. Radko's Rad ist also wieder startklar.
Eine neue Überraschung erwartet uns dann aber im Büro der „Baja Ferry“ wo wir unsere Tickets für die Fährfahrt nach Mazatlan kaufen wollen...
Über andere Radfahrer hatten wir schon vor einiger Zeit gehört das die Fähre aktuell nicht fährt. Nachdem Sam und Laura aus England nun aber dort vorgestern Ticket für nächste Woche gekauft hatten gingen wir heute voller Zuversicht zum Ticketschalter. Die Verkäuferin will uns gar nicht glauben das unsere Radfreunde Besitzer eines Tickets nach Mazatlan seien, die Fähre würde doch gar nicht fahren...CANCELADO...wegen Wartungsarbeiten. Auf die Frage wie lange – keiner wüsste das...auf unbestimmte Zeit! Also mal wieder Pläne umschmeißen. Mal sehen wie wir weiter kommen, es bleibt spannend.
Man könnte sagen das wir uns sehr wohl in La Paz fühlen. Insgesamt eine Woche verbringen wir hier. Nachdem Radko's Hinterradachse wieder repariert ist und unsere Räder wieder rollfähig sind ziehen wir zu Tuly und Jesus, unseren Warm showers Gastgebern um. Diese unglaublich sympatische Familie ist eine absolute Bereicherung für die Warm Shower Community. Nachdem Ihre 4 Töchter ausgezogen sind ist nun viel Raum im großzügigen Haus vorhanden und den dürfen wir Radfahrer uneingeschränkt nutzen. Tuly ist ein wahrer Engel. Täglich werden die bis zu 11 Radfahrer bekocht und umsorgt. Wir treffen wieder auf Sam und Laura aus der UK und auf ein sympatisches koreanisches Paar die mit Unterbrechungen seit 9 Jahren um die Welt radeln. Drei Bücher haben sie bereits geschrieben, zwei weitere werden wohl noch folgen und in der Radcommunity in Korea sind die beiden warscheinlich so etwas wie „Superstars“. Die schönste Überraschung ist aber das wir nach langer Zeit wieder Adam sehen. Ein mega sympatischer „Kiwi“ aus Neuseeland den wir bereits vor 6 Monaten in Alaska getroffen hatten. Adam ist 2011 von England nach Neuseeland geradelt, sein aktuelles Ziel ist ebenfalls Ushuaia. Falls Ihr Interesse habt mehr über seine Abenteuer zu lesen (www.adamglovercycling.com)
Mit Adam, Sam und Laura erkunden wir enspannt Downtown La paz. Nachdem wir zunächst geplant hatten auf das mexikanische Festland zu fliegen fühlen wir uns aber durch Adam inspiriert dessen Ziel es ist nach Argentinien zu radeln ohne in ein Flugzeug steigen zu müssen. Kurzerhand entscheiden wir uns heute Nacht zusammen mit Laura und Sam die Fähre in das ca. 500 Km weiter nördlich gelegene Topolobambo zu nehmen um von dort aus weiter zu radeln.