dream on two wheels

Eis und Feuer: El Chalten nach Punta Arenas (4.4.-7.5.17)

Als wir an einem sonnigen Tag mit Morgenfrost in el Chalten aufbrechen sind nahezu zwei Wochen vergangen. Inzwischen sind Claudia, Martin, Niki und Philip von ihrer Gletscher Wanderung zurückgekehrt und wir sind heil froh die vier wieder in unsere Arme schließen zu können. Der Abschied von den liebgewonnenen Schweizern kommt viel zu schnell aber auch das haben wir mit dem Reisen gelernt: Momente ganz bewusst intensiv zu erleben denn Reisen bedeutet auch immer wider aufs neue Abschied nehmen.

 

Camping Casa Azul in El Chalten

Time to say good bye, Zeit sich zu verabschieden

Claudia und Martin, wir hoffen Euch bald wieder zu sehen, we hope to see you soon again

Die Ausfahrt aus dem Ort macht den Abschied etwas leichter. Nach einem Osterfrühstück mit Kaffee und Kuchen brechen wir erst gegen Mittag auf. Für viele Kilometer haben wir beim Zurückblicken nochmals fantastische Ausblicke auf die imposante Gebirgskette und selbst 60 Kilometer später als wir unser Lager an einem kleinen Bach neben der Straße aufschlagen bleibt das Panorama.

wir verlassen El Chalten, leaving el Chalten

Als wir am nächsten Morgen gegen halb neun bei Sonnenaufgang aus den Zelten kommen leuchten die schneebedeckten Berge im Morgenrot.

Camping next to the road, wir zelten neben der Straße

every morning and evening the sky glowes like fire, jeden Morgen und Abend glüht der Himmel wie Feuer

Bald stoßen wir auf die legändere Ruta Nacional 40, mit 3501 Km die längste Nationalstraße Argentiniens und eine der längsten Fernstraßen der Welt. Die Ruta 40 ist neben der Panamericana die bekannteste Fernstraße in Südamerika. Bis lang haben wir noch keinen Radfahrer getroffen der die Ruta 40 komplett gefahren ist aber auf dem Weg nach Feuerland muss jeder von uns ein Stück davon bezwingen. Warum bezwingen fragt Ihr Euch jetzt? Es ist der Wind der auch den noch so routinierten Radfahrer entweder verzweifeln lässt oder vor Freude zum Jubeln bringt. 

Per Auto ist die Ruta 40 übrigens auf einigen Streckenabschnitten wohl trotz mehrere Verbesserungen in den letzten Jahren nur mit geländegängigen Fahrzeugen befahrbar was sie ziemlich beliebt bei motorisierten Overlandern macht. Zudem führt sie über einen der höchsten befahrbaren Andenpässe der Welt, den Abra el Acay (4950m hoch).

Wir haben Glück, als wir losfahren ist es fast windstill und erst gegen Nachmittag kommt eine ordentliche Priese Seitenwind auf. Unser Ziel ist der Ort EL Calafate. Nachdem wir 80 Kilometer geradelt sind fehlen nur noch 36 weitere Kilometer bis zum Ort aber der Seitenwind kommt direkt aus Ortsrichtung und das bedeutet praller Gegenwind für die letzten Kilometer. Wir beschließen kurz vor der Kreuzung zu zelten da der Wind in der  Regel erst gegen Mittag aufdreht.

an der Kreuzung treffen wir auf die legändere Ruta 40, at the intersection we meet the legendary Ruta 40

We see a lot of wild foxes, wir sehen viele wilde Füchse

Ñandu

mal wieder stürmisch heute, stormy today

Guanacos

wir zelten 80 Kilometer vor El Calafate neben einem verlassenen Haus, we camp 80 Kilometers south of El Calafate next to an abandoned house

Am nächsten Tag ist es quasi windstill und die hügeligen 36 Kilometer nach El Calafate sind schnell geradelt. Der Ort an sich wirkt auf uns wie ein sehr touristischer, überteuerter Skiort. Der Ort selbst ist kaum eine Attraktion, er ist vielmehr das Tor zum vielleicht berühmtesten Gletschers Lateinamerikas, dem "Glaciar Perito Moreno".

El calafate, Tor zum Perito Moreno Gletscher, El Calafate, Gateway to the Perito Moreno Glaciar

Der Perito Moreno Gletscher ist einer der größten Gletscher des "Camp de Hielo Sur" (Südliches Eisfeld), des größten Gletschergebietes der südamerikanischen Anden. Die Gletscherzunge die wir besuchen endet im See "Lago Argentino". Der Gletscher gehört zu den größten Touristenmagneten Argentiniens. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gletschern zieht sich der Perito moreno nicht zurück. Der Eingang zum Park liegt 30 Kilometer außerhalb von El Calafate. Wir fahren zu viert mit dem Taxi denn dass ist interessanter Weise preiswerter als vier Bustickets zu kaufen. Es hat außerdem den Vorteil das wir so lange bleiben können wie wir wollen denn der Taxifahrer wartet vor Ort auf uns. 

Die gesamte Anlage ist mit hölzernen Fußwegen ausgestattet die in unterschiedlichen Höhen immer mit Sicht auf den gigantischen Gletscher angelegt sind. Es ist Nebensaison und es ist ruhig und beschaulich auf den Aussichtsplattformen. Auf der Hauptplattform steht dennoch eine Fotografin und bietet den wenigen Touristen aus aller Welt ihre Künste an. Am Geländer hat sie einige wohl beliebte Gletschermotive ausgedruckt und angehängt. Man kann wählen den Gletscher mit einem Eispickel in der Hand zu attackieren, dem sich in der geborgten Sonnenbrille spiegelnden Gletscher oder doch lieber mit  einem Sektglas "am Gletscher anstoßen"....

Der Perito Moreno Gletscher

El Glaciar Perito Moreno

Die meiste Zeit verbringen wir damit andächtig auf die blau schimmernden Eismassen zu starren. Der Gletscher ist hoch aktiv. Ständig hören wir das dumpfe, ähnlich wie Donner klingende Grollen, aus den Tiefen des Gletschers hervordringen. Kurz bevor wir die "Rote Zone", dort wo am Gletscher am häufigsten Eismassen in den See abbrechen, verlassen wollen passiert es. Ein riesiger Eisbrocken rutscht mit einem Höllen Lärm von der Gletscherkante herab in den See. Ein Wahnsinns Spektakel!

Die Zeit vergeht wie im Flug, nach vier Stunden machen wir uns auf den Weg über den untersten Weg zurück zum Parkplatz. Die Sonne steht bereit tief und es ist Zeit nach El Calafate zurückzukehren. Auf der Rückfahrt ist es ruhig. Alle sind irgendwie in Gedanken versunken und wenn ich jetzt beim schreiben die Bilder betrachte wirkt dieser Ort fast ein bisschen unwirklich auf mich...!

Unsere Reise führt uns weiter auf der Ruta 40 Richtung chilenische Grenze und Puerto Natales. Heute, mit heftigem Rückenwind fliegen wir nahezu aus El Calafate heraus. Es ist der 22. April und obwohl viele der Tage in der letzten Zeit frisch aber Sonnig gewesen sind ist der Winter allmählich Realität geworden und Regentage, eiskalte Winterstürme und frostige Nachte sind an der Tagesordnung. Zudem werden die Tage merklich kürzer. Vor zehn Uhr ist kaum ans losfahren zu denken da es zu dunkel und zu kalt ist und spätestens gegen 17:00 müssen wir ein Nachtlager gefunden haben um mit Anbruch der Dunkelheit in den Schlafsäcken zu liegen. Um so dankbarer sind wir als wir im eiskalten Wind nach 97 Tageskilometern beim Haus der argentinischen Straßenbaugesellschaft (AGVP) anklopfen um uns nach einem geschützten Zeltplatz zu erkundigen und in das warme Haus eingeladen werden.

Das Haus ist riesig, wunderbar überheizt und wir bekommen zu viert ein eigenes Zimmer mit zwei Betten und zwei weiteren Matratzen. In der geräumigen offenen Küche mit Wohnzimmer dürfen wir kochen und es uns vor dem Kamin gemütlich machen.

Die Gastfreundschaft in Patagonien ist beispielhaft und sensationell und ich frage mich oft nach solchen Erlebnissen ob die Menschen überhaupt annähernd eine  ein Vorstellung haben wie glücklich sie uns gemacht haben! Als wir am nächsten Tag bei stürmischen Wetter aufbrechen bahnen sich Regenwolken am Horizont an. Wir werden sogar eingeladen noch eine weitere Nacht zu bleiben (!!!) aber wir müssen leider wirklich nach Süden vorankommen und lehnen daher schweren Herzens ab.

Ruta 40

Wir übernachten bei der Straßenbaubehörde

Auch die nächsten zwei Nächte verbringen wir Dank der AGVP in geschützten Räumen. Zunächst in Tapi Aike im Geräteschuppen und dann in einer leeren Hütte an der Ruta 40 kurz vor der chilenischen Grenze.

Apropos Grenze...Ihr habt Euch vielleicht schon gefragt warum dieser Bericht nun ausgerechnet "Patagonien" heißt obwohl wir ja schon seit geraumer Zeit in Patagonien unterwegs sind.  Es sind die vielen Grenzwechsel Zwischen Argentinien und Chile auf dem Weg nach Feuerland die es schwer machen ein Bericht einem Land zu zuordnen. Vor Cerro Castillo überqueren wir erneut die Grenze nach Chile und obwohl die bürokratische Seite für uns Radfahrer vollkommen problemlos ist gibt es doch einen nervigen Aspekt die die Grenzüberquerung mit dich bringt: die strengstens regulierte Einfuhr von Lebensmitteln. Beide Länder untersagen die Einfuhr von jeglichem Obst, Gemüse, Milch- oder Fleischprodukten.  Das bringt mit sich das wir regelmäßig vor den Grenzen Nahrung völlig sinnloa aufbrauchen müssen, Radko sich eine ganze Packung eingeschweißten gekochten Schinken reinzieht, wir an der Grenze die Kocher auspacken um die letzten Eier und Würstchen zu braten, oder gerne auch mal eine liebgewonnene Streichwurst eingepackt im BH oder der Unterhose verschwindet. Wir werden den Eindruck irgendwie auch nicht los das es sich eher um eine Art Schikane zwischen den beiden konkurrierenden Ländern handelt als wirklich um eine strikte landwirtschaftlich notwendige Maßnahme... Hier vor Cerro Castillo müssen wir auch erstmalig unsere Räder beim Zoll deklarieren. Bezahlen müssen wir nichts aber für jedes der vier Räder wird eigens ein Formular ausgefüllt auf dem die Zollbeamtin unsere Räder mit Rahmennummer vermerkt ebenso wie die Farben unserer Radtaschen und die Anzahl der Selbigen. Den Zettel müssen wir beim Verlassen des Landes wieder abgeben. Als wir dem Zöllner in San Sebastian beim nächsten Grenzübergang ein paar Wochen später den Zettel hinlegen schaut er uns leicht irritiert an, knallt schulterzuckend einen Stempel drauf und schmeißt sie auf irgendeine Ablage.

Camping with the AGVP near Tapi Aike, zelten bei der Straßenbaugesellschaft nähe Tapi Aike

the Windows of the small gas Station  in Tapi Aike are  full of Stickers of fellow travellers from all over the world, die Fenster der kleinen Tankstelle in Tapi Aike sind voll von Aufklebern aus der ganzen Welt

wild but curious Fox, ein wilder aber neugieriger Fuchs

Camping in an empty shed of the AGVP next to the Rute 40 near the chilenean border,wir zelten in einer leere Hütte der AGVP an der Ruta 40 kurz vor der chilenischen Grenze

Wir übernachten direkt hinter der Grenze im Dorf "Cerro Castillo". Wir dürfen unsere Zelte geschützt hinter dem beschaulichen Busbahnhof aufstellen und den Aufenthaltsraum mit Kamin benutzen. Von anderen Radfahrern haben wir gehört das sie sogar im Aufenthaltsraum geschlafen hätten und daher gehen wir davon aus das der Raum die ganze Nacht geöffnet ist. Wir machen es uns gemütlich denn draußen pfeift ein eisiger Wind bei 1°Celsius. Der Holzofen läuft auf Hochtouren und wir haben gerade die erste Hälfte von einer Folge "Mordkommission Istanbul" auf dem USB gängigen Flachbildschirm an der Wand geguckt als....zugesperrt wird....SCHAAAADE!!!! 

Sonnenaufgang in Cerro Castillo, sunrise in Cerro Castillo (Chile)

Von Cerro Castillo ist es eine Tagesetappe nach Puerto Natales aber die hat es zunächst in sich. Als wir aus dem Ort herausfahren bläst uns der Wind fast vom Fahrrad und wir kommen nur im Schritttempo voran. Erst nachdem die Straße abknickt haben wir seitlichen Rückenwind und die nächsten 30 Kilometer fliegen wir dahin. Am Nachmittag beginnt es zu regnen und als wir in Puerto Natales ankommen sind wir nass und durchgefroren.  Wir finden ein ruhiges Hostal und sind die einzigen Gäste. Umgerechnet 10-15 Euro muss man in Patagonien für ein Gemeinschaftszimmer pro Person zahlen. In Chile ist das Frühstück, bestehend aus Kaffee, Brot und Marmelade, in der Regel im Preis inbegriffen.

Puerto Natales

Unsere letzte Etappe auf dem patagonischen Festland führt uns nach Punta Arenas. Punta Arenas ist die Hauptstadt der "Region de Magallanes y de la Antartica Chilena" und liegt gegenüber der Inselgruppe "Feuerland" an der Magellanstraße. Von Punta Arenas werden wir mit der Fähre nach Feuerland übersetzen, unserer letzten Panamericana-Etappe!

Country living in Patagonia, Landleben in Patagonien

Finally, first sign "Tierra del Fuego" (Fireland), endlich, das erste Straßenschild "Feuerland" vor Punta Arenas