dream on two wheels

Griechenland: Ein Hundedrama

Wer an Griechenland denkt stellt sich wahrscheinlich  so wie wir gutes Essen, Traumstrände, türkisfarbenes Meer und farbenfrohe Inseln vor. Alles das was wir auch im Hinterkopf haben als wir Athen in Richtung Korinth und der Halbinsel Peloponnes verlassen nichtsahnend das die Fassade im Ferienparadies Griechenland für uns bald zu bröckeln beginnen wird...

Kanal von Korinth

Auf der gesamten Halbinsel führt die Traumstraße fast immer direkt am Wasser entlang

Sobald wir von der Küstenstraße abbiegen radeln wir durch herrlich duftende Orangen- und Zitronenplantagen. Oft begegnen wir den Bauern bei der Ernte die uns enthusiastisch auffordern Orangen zu pflücken und uns daran satt zu essen. Dem Angebot kommen wir gerne nach denn die süßen,  Zitrusfrüchte sind eine willkommene Abwechslung in unserem Speiseplan. 

Je ländlicher die Umgebung desto wohler fühlen wir uns. Auf den Straßen begegnen wir oft Schaft- und Ziegenhirten die ihre Herden unter den Blicken der aufmerksamen Hütehunde von Weide zu Weide führen. Auf den winzigen Straßen gibt es nahezu keinen Autoverkehr und es ist ein ruhiges und angenehmes Radfahren.

Noch sind auch sämtliche Ferienorte entlang der Küste wie ausgestorben. Oft sind wir die einzigen auf der Straße und die einzigen Touristen sowieso...Pausenplätze mit Aussicht finden wir überall. In Griechenland können wir auch endlich wieder wild zelten.

Wir lieben dieses Gefühl von Einsamkeit und Freiheit was wir beim wild Zelten empfinden. Das Einschlafen und Aufwachen im Einklang mit der Natur. Wir benötigen keinen Wecker. Bei Sonnenaufgang wachen wir automatisch auf und sobald die Sonne untergegangen ist verkriechen wir uns in unsere Schlafsäcke, lesen, lauschen der Natur und ...schlafen ein.  

Obwohl Wildcampen eigentlich verboten ist wird es offensichtlich toleriert. Meist sind wir eh so gut versteckt das uns niemand sieht und das wir nichts hinterlassen ist ja sowie so selbstverständlich.

Über die Rio-Andirrio Brücke verlassen wir die Halbinsel und sind zurück auf dem griechischen Festland. Wir fahren weiter in nördliche Richtung. In wenigen Tagen wollen wir die Grenze zu Albanien erreichen.

Rio-Andirrio Brücke

Olivenbaumplantagen, soweit das Auge reicht...

Manchmal gibt es nur ebene Stellen unter den Hochspannungsmasten...

morgens kommt dann und wann neugieriger Besuch 

Kurz vor der kleinen Stadt Vonitsa bahnt sich ein Hundedrama an dessen Ausmaß wir erst viel später begreifen. Während wir uns im Schritttempo einen Hügel hoch quälen tauscht aus dem Gebüsch plötzlich ein putziger Hundewelpe neben uns auf. Wir befinden uns an einer recht befahrenen Straße zwischen zwei kleinen Ortschaften. In unmittelbarer Umgebung gibt es weder Häuser noch Schaf/Ziegenherden. Der Hund ist kein winziger Welpe mehr aber man erkennt auf den ersten Blick das er nicht älter als 6 Monate sein kann. Wir halten kurz an. Der Welpe hüpft wie ein Flummi um uns herum und ich sage noch aus Scherz zu Radko "vielleicht läuft er uns hinterher, dann adoptieren wir ihn". Nichtsahnend das von nun an ein mittelschweres Hundedrama seinen Lauf nimmt....

Nach ein paar Minuten radeln wir langsam weiter und wie soll es anders sein...der Hund läuft neben uns her. Es geht weiter bergauf, nach ein paar Kilometern ist der Hund sichtlich erschöpft und es dämmert bereits. Wir machen uns Sorge das er nicht zurückfindet und fragen uns ob er jemanden gehört. In den Büschen eines angrenzenden Hügels schlagen wir unser Zelt auf und der Hund mit uns sein Lager. Wir füttern ihn notdürftig, der kleine schläft seelenruhig 6 stunden in unserem Vorzelt, den Rest der Nacht spielt er oder bellt.

Am nächsten Morgen weicht er uns weiterhin nicht von der Seite. Wir sind unschlüssig was wir mit ihm machen sollen und entscheiden uns letztendlich den Hund zur Fundstelle zurück zu bringen. Im Gebüsch finden wir eine alte Obstkiste (In Griechenland liegt leider sehr viel Schrott und Müll entlang der Straße). Die Kiste spannen wir auf Radko`s Hinterradtaschen und fahren den Hund zurück. Dem ist dabei überhaupt nicht wohl. Der Welpe ist offensichtlich "Seekrank" und rollt sich im Korb zusammen.

An der Fundstelle hinterlassen wir Wasser und ein bisschen Hundefutter und machen uns mit schlechtem Gefühl auf die Weiterreise.

Streuende Hunde sind in Griechenland leider kleine Seltenheit. Während man in Deutschland bei einem Hund der herrenlos durch die Gegen läuft sofort die Polizei oder den Tierschutz alarmieren würde sind herrenlose Hunde in Griechenland an der Tagesordnung. Selbst Hunde die zu einem Haus oder Hof gehören haben oft kein Halsband und sind tagsüber sich selbst überlassen. Das man in Griechenland einen Hund als Hobby hält, mit dem gespielt, trainiert und  gelaufen wird haben wir kaum erlebt. Die meisten Hunde denen wir begegnen liegen als Wachhunde in Ketten oder beschäftigen sich selbst. Diese wiederum von den streunenden Hunden zu unterscheiden ist extrem schwierig.

Dennoch wir haben ein ungutes Gefühl. Als wir den Hund gefunden haben meinen wir einen Abdruck vom Halsband im Fell gesehen zu haben. Zudem ist der Hund zwar in keinem ausgezeichneten Zustand aber auch nicht in einem katastrophalen. Er könnte ausgesetzt worden sein und die befahrene Landstraße ist für ihn gefährlich. Wir entscheiden uns in den nächsten Ort Parga zu fahren, ein Auto zu mieten und zur Fundstelle zurück zu fahren.

Der hübsche Ferienort liegt in einer felsigen Traumbucht. Während hier im Sommer tausende von Touristen durch die bunten Gassen schlendern, am Strand liegen und von kleinen Cafès aus auf das türkisblaue Meer schauen ist hier außerhalb der Saison nichts los.

Wir haben Glück und finden eine Autovermietung. Der Besitzer ist allerdings in Athen und wir müssen einen weiteren Tag warten.

Wir dürfen unser Zelt auf der Wiese eines  noch geschlossenen Campingplatzes aufstellen. 

Als wir am dritten Tag endlich zur Stelle zurück fahren haben wir eigentlich keine Hoffnung mehr den Hund vorzufinden aber als wir um die Kurve biegen sitzt der junge Hund immer noch exakt an dem Ort wie vor 3 Tagen. Unglaublich! Die Freude ist auf beiden Seiten groß und wir beschließen den Hund zum Tierarzt zu bringen. Sollte er einen Chip haben können wir ihn seinem Besitzer zurückbringen wenn nicht würden wir überlegen ihn zu adoptieren. 

Der Tierarzt findet keinen Chip. Die Verständigung ist ein bisschen schwierig aber mit Händen und Füßen und ein paar einfachen englischen Sätzen können wir die Situation erklären. Wir lassen den Hund impfen, entwurmen, geben ihm eine Tablette gegen Parasiten und sind am Ende einverstanden ihn zu behalten. Das mag für den Außenstehenden komisch klingen aber solange wir auf der Reise sind haben wir immer halb gescherzt das wir gegen Ende der Reise vielleicht einen Hund in Griechenland adoptieren könnten. Das wir einen "finden" damit hatten wir eigentlich nie gerechnet...

Nachdem der Hund einen Chip und europäischen Pass hat und wir ihn mit nach Deutschland nehmen könnten frage ich den Tierarzt was er nun denke welche Rassen sich in dem lustigen Mix "verstecken". Er zuckt mit den Schultern, im Pass hat er "crossmix" eingetragen, und sagt "Maybe some Pitbull". Ich sage "bitte waaaas"???? Aber es gibt kein zurück, der Hund gehört bereits uns...

Wir fahren die 80 Kilometer zurück, halten auf halber Strecke in Preveniza beim Radladen denn als nächstes muss ein Anhänger her. Das wird schwierig sagt der nette Besitzer aber im Notfall könnten wir einen in 3-4 Tagen nach Parga in den Örtlichen Radladen bestellen.

Wir taufen den Hund "Tobey". Die erste Nacht auf dem Campingplatz wird anstrengend. Abwechselnd sitzen wir bis 3 Uhr morgens neben dem Zelt und beruhigen den Hund der bei jedem neuen Geräusch anfängt zu bellen. Sobald wir ins Zelt gehen wacht er wieder auf und winselt. Die nächste Nacht umgehen wir das Drama indem wir den halben Tag spazieren gehen und der Welpe erschöpft und mit vollem Magen in einen gesegneten 8 stündigen Schlaf fällt...

Inzwischen sind wir in Parga bekannt wie ein bunter Hund...die Radreisenden aus Deutschland mit dem Findelhund. Das Drama nimmt seinen Lauf als wir herausfinden das es auch illegal ist "Pittbull Mix" nach Deutschland zu bringen. Einerseits sind wir uns bezüglich der Rassenanteile nicht sicher, andererseits sprechen wir mit den Volutären der Örtlichen Tierschutzgruppe und die sind sich ziemlich sicher. Houston wir haben ein Problem....namens Tobey. Laut Papiere gehört der Hund ja inzwischen uns aber wir dürfen ihn nicht nach Deutschland bringen. Wir haben keine andere Wahl wir müssen schweren Herzens ein neues Zuhause für Tobey finden und das gestaltet sich mehr als schwierig. 2 Tage lang starten wir örtliche Facebook Kampagnen, kontaktieren die Tierschutzvereine in der gesamten Region im Umkreis von 100 Kilometern aber niemand hat Platz für den Hund. Ausnahme Bettina aus Deutschland von der Gruppe in Levkada. Sie bietet uns an Tobey zu nehmen aber sie hat bereits 25 Hunde die vermittelt werden müssen.

Am Ende kommt alles anders und unerwartet. Wir sitzen gegenüber dem Hotel Villa Rosa und nutzen das WLAN eines angrenzenden Cafès. Ein junger Mann spricht uns an und fragt ob wir Wasser für den Hund bräuchten. Wir kommen ins Gespräch und ein kleines Wunder nimmt seinen Lauf. Theodor ist der Manager des Hotels und bietet sofort an uns zu helfen. Nach einer Stunde Telefonaten und ein paar gesendeten Bildern vom Hund sagt er: "Ich glaube ich habe jemanden gefunden".

Unsere Retter und Engel in der Not sind sein Chef Sergei und dessen Freundin Elena. Beide sind seit Jahren im Tierschutz aktiv, haben selber schon einmal einen Hund von der Straße gerettet dessen Besitzer sich dann aber finden ließ und überlegen seit langem einen Hund zu adoptieren. Als sie Tobeys Geschichte hören sagen sie spontan zu!!!

Ich sage zu Radko: "Leute die einen Hund nehmen den sie nur von Bildern kennen sind entweder verrückt oder RICHTIG gut". Auf die beiden trifft definitiv das zweite zu. Als wir sie am nächsten Tag treffen merken wir schnell der Hund hat einen sechser im Lotto gezogen. Er wird es sehr gut bei den beiden haben!  

Tobey ist in Griechenland kein Einzelfall. Von der örtlichen Tierschutzgruppe erfahren wir das in Griechenland jedes Jahr tausende Hunde ausgesetzt werden. Viele der Tiere landen überfahren im Straßengraben oder in Tierheimen. Einige der Tiere können ins Ausland vermittelt werden aber das sei natürlich nicht die Lösung des Problems.  Nicht nur ausgesetzte Hunde, auch Katzen vermehrten sich unkontrolliert.

Auch in Parga gibt es viele Streunerkatzen. Unter einem Auto sehen wir bei einem Spaziergang ein Kätzchen welches Schaum vor dem Mund hat und unkontrolliert zuckt. Es liegt eindeutig im Sterben. Wenige Stunden später erfahren wir in einem Gespräch das mal wieder jemand im Ort Gift ausgelegt habe. Die Saison naht, Touristen sollen sich nicht von herum streunernden Tieren gestört fühlen...es sei jedes Jahr das Gleiche... 

Vor der Villa Rosa, Tobeys neues Frauchen und Heim :-)

Am Ende hat uns das Thema nahezu überwältigt. Für einen Hund konnten wir hoffentlich eine gute Lösung finden. Bezüglich der Vermittlung der Tiere ins Ausland haben wir viele unterschiedliche Meinungen gehört. Das Grundlegende Problem wird dadurch natürlich nicht gelöst. Viele der Tiere haben zudem eine schlechte Vergangenheit hinter sich und benötigen viel Aufmerksamkeit, Fachwissen und Geduld. Möglicher Weise hätten  wir uns selber damit auch verschätzt. Helfen kann man aber ganz sicher indem man eine der örtlichen Tierschutzorganisationen finanziell unterstützt. Sofia und ihre Mutter in Parga betreuen momentan ca. 25 Hunde und mehrere Katzen. Täglich fallen Futterkosten, Fahrtkosten zum 40 Km gelegenen Tierarzt, und Tierarztkosten selbst an. In ihrer Facebookgruppe "Parga Zoe animal care" berichtet Sofia fast täglich über neue Findelkinder, Erfolgsgeschichten und alles um den örtlichen Tierschutz. Daumen hoch für eine junge motivierte Frau die dies alles neben ihrem Alltags Job versucht unter einen Hut zu bekommen. Falls jemand  Interesse hat einen  Beitrag zu spenden kann er jederzeit mit Sofia über Facebook in Kontakt treten!

Für Tobey und uns gibt es zum Gluck ein positives Ende. Wir bleiben natürlich befreundet und werden sicher das eine oder andere Bild in der Zukunft aus der Villa Rosa zugeschickt bekommen :-)

Griechenland verlassen wir mit gemischten Gefühlen. Das Thema wird uns auch in der Zukunft noch nachhaltig beschäftigen!

Es ist nun nicht mehr weit zur Grenze nach Albanien. Unsere letzte Nacht verbringen wir im Zelt am Strand mit der Insel Korfu im Blick. nach Albanien müssen wir wieder aus der EU ausreisen. Wir freuen uns auf das für uns unbekannte Land und werden natürlich berichten...